Samstag, 21. Juli 2012

Fahrgemeinschaft auf Amerikanisch

Ein Kollege, der in Oakland (also Eastbay) wohnt, hat mir neulich eine interessante Geschichte erzählt.

Er fährt jeden Morgen mit dem Auto zur Arbeit. Soweit nicht ungewöhnlich. Allerdings fährt er immer extra an einer Straßenecke vorbei, wo Leute darauf warten, mitgenommen zu werden. Und ich meine jetzt nicht den Straßenstrich ;-)
Nein, es gibt tatsächlich in Oakland eine Kreuzung, wo Pendler, die keinen Bock auf die Bahn, aber auch kein eigenes Auto haben, darauf warten, mitgenommen zu werden. Von Pendlern mit Auto, die eben sowieso rüber nach San Francisco fahren.

Und das funktioniert! Besagter Kollege nimmt jeden Morgen drei völlig fremde Leute mit, immer andere und lässt sie dann Downtown wieder aussteigen. Die Leute müssen dafür auch nichts bezahlen. Manche bieten einen Dollar Benzingeld an, welches mein Kollege jedoch immer ablehnt.
Und auch viele seiner Nachbarn nehmen jeden Morgen fremde Pendler mit. Auf Nachfrage gab er an, dass da bisher noch nie was passiert sei und alles immer zur allseitigen Zufriedenheit verlaufen ist.

So kommen jeden Morgen Dutzende Pendler bequem und billig aus Oakland über die East Bay Bridge nach San Francisco. Für den Rückweg müssen sie sich allerdings doch auf die öffentlichen Verkehrsmittel verlassen ;-)

Ich hab direkt gedacht, dass er ja so jede Menge neue Leute kennenlernt. Aber nein, es gibt natürlich ungeschriebene Regeln für diese Art der Fahrgemeinschaft.

Erstens, der Pendler steigt ein, sagt "Guten Morgen" und hält ansonsten die Klappe. Geredet wird nicht. So hat der Fahrer trotz Gesellschaft morgens seine Ruhe ;-)

Zweitens, Handys müssen lautlos sein. Man darf zwar smsen und sonstige stille Dinge tun, aber telefonieren oder klingelnde Handys sind verpönt.

Drittens, man darf nicht essen oder trinken, gefrühstückt wird also gefälligst zuhause.

Und wie gesagt, das funktioniert! Ich finde das wirklich interessant und faszinierend, und habe mich direkt gefragt, ob das in Deutschland auch funktionieren würde...

Ich glaube, nein. Dafür lieben die meisten Deutschen ihr Auto viel zu sehr, als dass sie wildfremde Leute einsteigen lassen und dabei riskieren, dass die die wertvollen Alcantara-bezogenen Sitze vollpupsen.

Außerdem haben viele Deutsche ja auch eine angeborene Abneigung gegen fremde Menschen. Wenn morgens in der Bahn jemand niest, und ein anderer (aber fremder) "Gesundheit" sagt, wird der oft angeguckt, als hätte er dem Niesenden unvermittelt an den Hintern gepackt. Viele Deutsche reagieren ja, meiner Erfahrung nach, leider sehr irritiert auf Freundlichkeit und können dann damit nicht so richtig umgehen ;-)
Schade eigentlich...