Mittwoch, 15. August 2012

50 Shades of Grey

Ich weiß nicht, ob ihr das in Deutschland so mitbekommen habt, aber hier in den Staaten gibt es im Moment einen regelrechten Hype um das Buch "50 Shades of Grey" von E. L. James.
Wer das Buch noch lesen möchte (weil er irgendwie noch Lebenszeit übrig oder Geld zuviel hat), sollte jetzt nicht weiterlesen: Spoiler-Alarm! ;-)

An mir ist das Theater um das Buch bzw. die Trilogie erst mal total vorbeigegangen, bis einmal bei einem Dinner von Kollegen darüber geredet wurde. Zum Teil von hysterischem Gekicher (die Damen) und verlegenem Grinsen (die Herren) begleitet. Das machte mich natürlich neugierig und ich fragte also nach, worum es denn in dem Buch ginge.

Uh, hochrote Köpfe, rumdrucksen und konzentriertes Auf-den-Tisch-starren waren die Folge. Schließlich erbarmte sich eine (über 30-jährige!) Kollegin und meinte, ich solle das Buch mal googlen, sie könne das jetzt nicht so aussprechen.

Aha. Jetzt war ich wirklich neugierig. Kaum zuhause, hab ich mir bei Amazon direkt die Kindle Leseprobe runtergeladen. Hm, Mädchen trifft Junge - bisher nix Spektakuläres. Gut, das kommt wohl erst nach dem ersten Kapitel (so meine Annahme), also das Buch gekauft.

Zwei Tage später: Ernüchterung. Unverständnis. DARUM machen die hier so einen Wirbel?! Wie verklemmt und prüde kann man denn sein?

Dann Wut. DAFÜR hab ich 10 Euro ausgegeben???

Um den Inhalt des Buches zusammenzufassen: Mädchen trifft Junge. Junge hat ein schliiiiiimmes Geheimnis, er steht nämlich auf BDSM. Mädchen ist schockiert, wie sich das gehört. Trotzdem fängt sie eine Beziehung mit ihm an, weil sie ihn nämlich gaaaaanz dolle liebt (obwohl sie ihn erst zweimal fünf Minuten gesprochen hat!). Natürlich ist sie noch Jungfrau und total unerfahren. Natürlich ist sie trotzdem eine Granate im Bett, er aber selbstverständlich auch. Ach ja, er ist auch nicht nur körperlich übermäßig gut ausgestattet, nein - er ist auch noch steinreich (Selfmademan!) und sieht unglaublich gut aus. Arbeiten muss er zum Glück nie, so haben die beiden Zeit für ihre BDSM-Stündchen. Oder was die Autorin so für BDSM hält. Über mal die Augen verbinden und ein paar Fesselspiele (Ujui!) geht das aber selten hinaus. Einmal quält er sie mit einer Feder! Böser Junge!

Und es dauert auch nie lange, denn der begabte Knabe muss bloß mal des Mädchens Ellbogen berühren, schon "zerfließt" sie in 17 Orgasmen. Oder wird von ihnen "verschlungen". Eins dieser beiden Wörter taucht auf jeden Fall auf.

Die langweiligen Sex-Szenen wiederholen sich auf eine nervtötende Art und Weise in Wort und Spielart, das ist nicht auszuhalten! Es ist, als hätte die Autorin grade copy-and-paste entdeckt und wollte ausprobieren, wie oft man das auf einer Seite verwenden kann.
Leider - sehr oft! Und ansonsten passiert ja nicht viel in dem Buch! Entweder haben die beiden Sex oder SIE überlegt, wie verdorben er doch ist und dass sie grade gern wieder Sex mit ihm hätte. Außerdem will er, dass sie seine Sklavin wird, so ganz romantisch mit Vertrag und so. Sie denkt andauernd drüber nach, unterschrieben wird das (rechtlich nicht durchsetzbare) Ding aber nie.

Das wars.

Ich war wirklich froh, als er gegen Ende des Buches den Gürtel rausholt und die (Nicht-mehr) Jungfrau mal ordentlich vertrimmt. Ihm geht einer ab, sie heult und macht Schluss, weil er wirklich ganz ehrlich ZU verdorben für sie ist. Und das, obwohl er ihr immer brav danach den Hintern mit Arnika-Salbe eincremt, sowas Undankbares.

Puh, Aufatmen meinerseits, das Buch ist zuende. Allerdings wage ich die kühne Voraussage, dass die beiden sich in Teil 2 wieder vertragen und sie weiter an seiner "Heilung" arbeitet (sie findet nämlich, dass er krank ist, weil er auf BDSM steht!) und in Teil 3 ist er dann "normal" und es wird geheiratet.

Hab ich mich aufgeregt über dieses Buch, selten so einen langweiligen Schund gelesen. Ganz ehrlich, was da beschrieben wird, passiert doch (übertrieben gesagt) in jedem zweiten Schlafzimmer, da ist nix Besonderes dabei. Gut, mal abgesehen von Grey's Kontrollzwang (Du besuchst deine Mutter??? Warum? Wie lange? Wann kommst du wieder??? Kann ich mitkommen? - die Antwort auf letztere Frage ist nein, aber natürlich taucht er trotzdem bei der Mutter auf) und vielleicht seinem Spielzimmer, welches ausführlich beschrieben, aber selten benutzt wird.

Weiterhin hat mich genervt, dass alles an Twilight erinnert. Das Buch ist nämlich eine Fan-Fiction! Jawohl. Ich hatte das Wort zuvor auch noch nie gehört, aber es bedeutet wohl, ich kopiere ein erfolgreiches Buch und tausche weitestgehend nur die Namen aus. Dabei mache ich das erfolgreiche Buch aber möglichst schlecht nach, indem ich eigene öde Ideen mit einbaue.

So ist das Mädchen totaaaal hübsch, weiß es aber nicht, hält sich für unscheinbar. Ihr bester Kumpel (der hier aber nicht Jacob, sondern José heißt) steht heimlich auf sie. Sie fliegt aber auf den (vermeintlich) bösen Jungen mit den kupferfarbenen (!) Haaren, der sie warnt, dass er nicht gut für sie ist und sie sich besser von ihm fernhalten soll (sowas funktioniert ja gemeinhin immer sehr gut - *Ironie off*). Nachdem sie sich NICHT von ihm fernhält, schenkt er ihr ein Blackberry, einen Laptop (natürlich das allerneuste Modell von Apple, was eigentlich noch gar nicht auf dem Markt ist, damit das unschuldige Ding die ganzen bösen Praktiken googlen kann, die er mit ihr vorhat) und ein Auto (denn ihr altes Auto ist zu unsicher und ihr könnte was passieren).

Wenn ihr wirklich was Gutes lesen wollt, worüber ihr herzlich lachen könnt... da empfehle ich die Ein-Stern-Rezensionen bei Amazon über "Shades of Grey" (so der deutsche Titel). Wenn man die gelesen hat (was ich leider vor dem Kauf nicht getan habe), weiß man genug über das Buch, um es getrost ignorieren zu können.

Das Buch soll übrigens auch verfilmt werden. Nunja. Der Film wird mangels Handlung entweder sehr kurz oder wegen zuviel Sex ab 21 sein, in den USA jedenfalls.

Tja, lange Rede, kurzer Sinn: ich habe das Buch wegen Qualitätsmängeln (kein Scherz!) bei Amazon zurückgegeben und das Geld erstattet bekommen. Wer gibt mir jetzt die 2 Tage zurück???